Sonntag, 14. April 2013

The Iranian Spring / Der Iranische Frühling / بهار ایرانی

The Iranian Spring
Der Iranische Frühling
بهار ایرانی 
Ahmadinedschad nimmt ein Bad in der Menge seiner Anhänger: Vor allem die national orientierte Mittelschicht steht hinter dem Noch-Präsidenten Bild: Getty
Droht nun ein »Iranischer Frühling«?
Machtkampf um das Präsidentenamt voll entbrannt – Ahmadinedschad inszeniert Widerstand gegen Geistlichkeit
Schmutzige Grabenkämpfe im konservativen Lager kennzeichnen den Vorwahlkampf um die Präsidentschaft im Iran. Zwischen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad, der selbst nicht mehr kandidieren darf, und Parlamentspräsident Ali Laridschani, dem Favoriten der Geistlichkeit, fliegen die Fetzen. Die iranische Wahl im Juni verspricht auch ohne Reformkandidaten heiß zu werden.Das iranische Neujahr, Nowruz, das mit dem Frühlingsanfang zusammenfällt, hat die Regierung von Präsident Ahmadinedschad in diesem Jahr besonders festlich gefeiert. Das altiranische Nowruz wird zwar schon seit mehr als 3000 Jahren gefeiert, doch seit Gründung der Islamischen Republik 1979 versuchen die Ayatollahs, die alte Geschichte des Landes zugunsten der islamischen Geschichte, die erst im siebten Jahrhundert beginnt, auszublenden. Dass Ahmadinedschad nun das neue Jahr mit so viel Aufwand wie nicht einmal zu Zeiten des Schahs gefeiert hat, gleicht einer Kampfansage an die Geistlichkeit und ist eine wahlkampfbedingte Anbiederung an die stark national orientierte iranische Mittelschicht, die bereits den Schah zu Fall gebracht hatte und deren Einfluss  stark geblieben ist.Mehrere Großajatollahs griffen den Präsidenten dafür öffentlich scharf an. Ahmadinedschad, der zunächst als treuer Diener des Revolutionsführers Ali Chamenei galt, schert sich seit seiner Wiederwahl 2009 nicht nur nicht um internationale Regeln, er ignoriert auch Parlamentsbeschlüsse und Entscheidungen der Justiz seines Landes. Wie er die Uno mit der Atomaufrüstung provoziert, so provoziert er auch die Geistlichkeit und den Obersten Revolutionsführer seines Landes. Diese zeigen ihren Unmut immer offener. Den Bruch mit der Islamischen Republik wagt Ahmadinedschad allerdings noch nicht, allenfalls zu seiner Geistlichkeit geht er auf Distanz. Auch möchte er den Einfluss Chameneis und der schiitischen Regimekleriker in Staatsgeschäften beschneiden. 
Da Ahmadinedschad aber nach zwei Amtszeiten nicht wiedergewählt werden kann, schwebt ihm offenbar das Modell des russischen Präsidenten Putin vor. Deshalb schickt er jetzt seinen engsten Berater, Rahim Maschaei, ins Rennen um die Präsidentschaft, die er ihm nach vier Jahren zurückgeben soll. Die Tochter Maschaeis ist mit dem Sohn des Präsidenten verheiratet.Vor allem zwei gesellschaftliche Gruppen unterstützen Ahmadinedschad, die sozial Schwachen in der Provinz, unter denen er immer wieder Almosen verteilt, und die moderne Stadtbevölkerung, mit der er die neu entdeckte Liebe zur alten iranischen Kultur teilt und die er von den Gängelungen der Sittenpolizei befreien möchte. Die von der EU und den USA verhängten Sanktionen, deren Ziel es ist, Iran zum Einlenken im Streit um sein Atomprogramm zu zwingen, treffen gerade diese beiden Gruppen am stärksten. Die Ölexporte sind seit März 2012 um 40 Prozent geschrumpft und die Einnahmen des Staates aus dem Ölgeschäft um 45 Prozent zurückgegangen. Nach Angaben von Behörden herrscht ein akuter Mangel an Medikamenten. Ende Dezember wurde die Gesundheitsministerin entlassen, weil sie mehr Devisen für den Import von Medikamenten gefordert hatte. Seit Juni 2011 hat der Rial mehr als zwei Drittel seines Wertes verloren. Die Arbeitslosigkeit kletterte auf etwa 30 Prozent. Selbst der Kommandeur der Revolutionären Garden warnte vor Unruhen auf dem Land. Zwei Monate vor den Kommunal- und Präsidentschaftswahlen am 14. Juni ist der Machtkampf innerhalb der politischen Klasse der Islamischen Republik offen entbrannt. Das konservative Lager ist verunsichert, nervös und tief gespalten, das Reformlager kaltgestellt. Die beiden Vormänner der „Grünen Revolution“, Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, denen Ahmadinedschad 2009 den Wahlsieg geraubt hatte, stehen seit zwei Jahren unter Hausarrest und sind völlig isoliert. Ihre Kinder wurden ebenfalls von der Staatsanwaltschaft vorgeladen und verhört. Gegen Dutzende Journalisten, denen Kontakte zum Ausland vorgeworfen werden, laufen Ermittlungsverfahren. Die Führung der Islamischen Republik ist nervös und scheint entschlossen, diesmal keinen Kandidaten mehr zuzulassen, der die verdrängten Reformwünsche der jungen Bevölkerung erneut inspirieren könnte. Umso härter wird im konservativen Lager gegeneinander gekämpft. Hier gilt Parlamentspräsident Laridschani als Favorit des Obersten Religionsführers Chamenei und der politischen Geistlichkeit. Die religiöse Geistlichkeit, deren Zentrum Qom ist, bewarf Laridschani allerdings erst kürzlich bei einer Veranstaltung mit Schuhen und Gebetssteinen, weil sie ihn und seinen mächtigen Clan für korrupt hält. Sie macht ihn mit dafür verantwortlich, dass sich im „Gottesstaat“ Iran die Moscheen leeren, während im sunnitischen Islam unter saudischer Führung der Salafismus neue Stärke zeigt. 
Die Laridschanis gelten als Intimfeinde von Ahmadinedschad, wegen ihnen musste er zweimal vor dem Parlament erscheinen und sich einer peinlichen Frageprozedur unterziehen. Ahmadinedschad, der seine Macht vor vier Jahren nur durch Wahlfälschungen, Massenverhaftungen und Schauprozesse retten konnte, geriert sich am Ende seiner Amtszeit als Reformer, Saubermann und Hauptgegner klerikaler Übermacht. Ausgerechnet er hat am 34. Jahrestag der Revolution im Februar in Teheran öffentlich den Verdacht geäußert, die kommenden Präsidentschaftswahlen könnten manipuliert werden. Sollte der Wächterrat, der im Iran für die Zulassung von Kandidaten zuständig ist, die Kandidatur seines Beraters Maschaei ablehnen, werde er für einen „Iranischen Frühling“ sorgen, deutete Ahmadinedschad bereits drohend an. Die offizielle Kandidatenliste wird erst im Mai abgeschlossen.  Bodo Bost
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